Die Gute Form 2023 - Wir gratulieren den Gewinnern!

Die Jurymitglieder der Landesfachgruppe Metallgestaltung für Bayern trafen sich in der Geschäftsstelle in Garching, um die Sieger für den Wettbewerb „Die Gute Form“ auf Landesebene zu ermitteln.

Am 15. September 2023 wurden die Sieger bekanntgegeben und geehrt. Der Fachverband Metall Bayern gratuliert herzlich allen Teilnehmer*innen!

„Die Gute Form“ ist ein Wettbewerb, ausgeschrieben vom Zentralverband des Deutschen Handwerks auf Landes- und Bundesebene, unabhängig vom Leistungswettbewerb, der parallel dazu durchgeführt wird. 

Den von einer Jury Ausgewählten gehört die Anerkennung und Ehre auf Landes- und nationaler Ebene und es öffnen sich möglicherweise neue berufliche Wege, die auch mit entsprechenden Förderungen verbunden sind.

Der Ablauf erfolgt in zwei Schritten:

·         Bestimmung der Landessieger durch eine Jury aus Vertretern der Landesfachgruppe Metallgestaltung.

·         Ermittlung des Bundessiegers im Herbst durch eine national zusammengesetzte Jury aus Vertretern der Landesfachgruppen, den Berufsschulen und der/dem letzten Bundessieger/in aus den Erstplatzierten der Landessieger aller teilnehmenden Bundesländer.

Zur Wahl standen wie immer die Gesellenstücke der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den Gesellenprüfungen im Winter 2022/23 und der Sommerprüfung 2023 in den Fachrichtungen Konstruktionstechnik und Metallgestaltung. Die Kandidatinnen und Kandidaten standen vor der Aufgabe, in der Winterprüfung einen Schlüsselkasten und in der Sommerprüfung einen „Stummen Diener“ zu entwerfen, zu planen und auszuführen.

Nach intensiver Begutachtung und Diskussion standen die jeweiligen drei Erstplatzierten in den zwei Fachrichtungen fest.

In der Fachrichtung Konstruktionstechnik

1. Platz: Franz Sturm
Fa. Göls Edelstahlverarbeitung in Freising

2. Platz: Severin Lex
Fa. Neumaier Kunstschmiede in Forstern

3. Platz: Tim Hohaus
Fa. Josef Dopfer Kunst- u. Bauschlosserei in München

Tim Hohaus fertigt einen „Stummen Diener“ als Konstruktion aus Flach- und Rundstählen und einer goldfarbenen Blechscheibe. In der Form beschreiben die Profile das Skelett eines auf dem Kopf stehenden Halbkegels. Flachstähle stehen in der Achse und sind auf der Mantelfläche im Winkel von 45° angeordnete. Rundstähle zeichnen den Umfang der Halbkegelbasis. Ein Schiebemechanismus nach oben und unten an der Achse, der über Gelenke mit den seitlichen Stäben verbunden ist, ermöglicht ein Ausklappen der Stäbe. Damit können diese mit ihren oben angebrachten Bogensegmenten als Aufhängung für Kleidungsstücke benutzt werden. Somit wird die Möglichkeit der Hängung vervielfältigt. Mit wenigen Mitteln, die einer durchdachten Funktion folgen, gelingt es Tim Hohaus zu überzeugen und erobert den dritten Platz.

Der zweite Platz wurde Severin Lex zugesprochen. Er setzt sich mit dem Thema Schlüsselkasten in eher klassischer Form auseinander. Der Grundkörper aus brüniertem Stahlblech stellt einen einfachen Quader dar, der mit seiner perfekten Oberfläche beeindruckt. Die Schlichtheit der Front wird durch einfache Striche, kleine Kipphebel aus Messing, betont und zugleich durch die farbliche Kontrastierung in eine Spannung versetzt. Fünf kleine Streifen symmetrisch horizontal im oberen Bereich harmonisch angeordnet erzeugen eine anziehende Wirkung. Durch Antippen der Hebel klappen diese nach vorne und ermöglichen die Aufhängung von Schlüsseln oder anderer an einem Ring befestigten Gegenstände. Die Vorderfront lässt sich öffnen und gibt den Innenraum frei, in dem sich die Ablage für diverse Utensilien befindet.

Als Sieger in der Konstruktionstechnik setzte sich bei der Jury die Arbeit von Franz Sturm durch. Im ersten Blick erscheint die Ausführung als nicht besonders eindrucksvoll. Ein Blechkasten horizontal auf halber Höhe geteilt, oben eine Ablage und unten eine Schublade. Hinten eine Holzplatte zum Aufhängen an der Wand und einige Zusatzfunktionen. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man aber in den Details die formalen, gestalterischen Überlegungen. Der Kasten ist nicht einfach eine Schuhschachtel, sondern seine Ecken sind in einem ansprechenden Radius gebogen. Ebenso die Ecken der Schublade. Der gleiche Radius tritt wieder an den Ecken der Rückwand auf. Und selbst bei dem Griff der Schublade hat Franz Sturm an diesen kleinen gestalterischen Trick gedacht und die Rundung wiederholt. Noch einmal greift er dieses Motiv auf, indem er die vier Haken zum Aufhängen der Schlüssel nicht scharfkantig biegt, sondern sich wieder an die Rundung hält. Damit erzeugt er eine angenehme, bewegte, dynamische Form, an der sich das Auge nicht bricht oder aneckt, sondern ruhig den Bewegungen folgt. Die kontrastierende Kombination aus poliertem Stahl und Holz entspricht durchaus unserer Zeit und erinnert trotzdem auch an vergangene Formauffassungen. Und dieser „Retro-Stil“ ist eine Erscheinung, die gerade unsere Zeit prägt. Andererseits ist die Ladestation für das Smartphone ganz jetztzeitig.

Die hohe Qualität, die Intensität sich mit Gestaltung auseinander zu setzen und der Mut eigene Wege zu gehen, wie sie diese drei ausgezeichneten Arbeiten in der Fachgruppe der Konstruktionstechnik bereits zeigen, wird erwartungsgemäß natürlich bei den Metallgestaltern bestätigt. Wie im Sport war es oft ein Kopf-an-Kopf-Rennen, aber einer, in diesem Fall eine, musste die Siegerin sein. Was die Qualität und das Können der anderen in keiner Weise verringert.

In der Metallgestgaltung

1. Platz: Nina Buschmeier
Fa. Buschmeier Kunstschmiede in Isen

2. Platz: Til Schlör
Fa. Bergmeister Kunstschmiede in Ebersberg

3. Platz: Simon Leopold Hollermeier
Fa. Bergmeister Kunstschmied in Ebersberg

Auf Platz drei landete schließlich Simon Leopold Hollermeier mit einem von der Grundform her nicht spektakulären Schlüsselkasten. Ein im Querschnitt quadratischer Quader, mehr ist die Form nicht. Aber dann geht es auch gleich los. Die Türen mit bearbeiteter Oberfläche belebt setzen gleich einen spannenden Kontrast zu den glatten Oberflächen des Kastenkörpers. Sie sind an den Seiten umgesetzt und heben sich damit zudem ab. Dahinter verbergen sich gestalterisch und konstruktiv optimal durchdachte Bänder zur Lagerung der Türflügel. Zunächst ist auch nicht klar, wie sich die Türen öffnen lassen. Bis man erkennt, dass zwei Ecken aus der Oberfläche hervortreten. Mit dieser genialen Idee schafft Hollermeier einen Türgriff, ohne einen ausdrücklichen Türgriff aufzusetzen. Öffnet man dann die beiden Flügel, ergeben sich zwei überraschende Eindrücke. Die Flügel sind nicht gerade senkrecht, sondern diagonal entgegen gesetzt stufenförmig geschnitten. So entsteht eine Treppauf-, Treppabbewegung, einmal im Vordergrund, einmal im Hintergrund. Gleichzeitig öffnet sich ein strahlender, nahezu sakraler Raum, der durch die Vergoldung des Tombaks erzeugt wird. Die Assoziation mit einem Tabernakel ist unweigerlich. An der Rückseite sind in zwei Reihen sieben Schlüsselaufhänger, die durch die Helligkeit des Raumes nochmals besonders hervortreten. Alles in allem ein wohlverdienter dritter Platz. 

Til Schlör fertigt keinen Schlüsselkasten, sondern einen Schlüsselkäfig und wird damit mit dem zweiten Platz bei den Metallgestaltern ausgezeichnet. In der Form ein Zylinder, zweigeteilt, unten geschlossen mit einer Schiebetür, um ein Ablagefach freizugeben. Oben ein Gitter mit senkrecht angeordneten Stäben, hinter denen sich die Schlüssel befinden. Der gesamte Körper wird an der Wand befestigt und stellt damit ein sehr ungewöhnliches, eigenwilliges Objekt dar. Das Gitter lässt sich durch Drehen verschieben, so dass der Innenraum zugänglich wird. Auf der Innenseite sind zwei Ringe mit kreisrunden Aussparungen angebracht, in die die Schlüssel eingehängt werden können. Dazu hat Til Schlör eigens Schlüsselanhänger entwickelt, die mit einem Kugelkopf über einen Schlitz in diese Öffnungen eingeführt werden. Und da der Kopf größer als der Bohrungsdurchmesser ist, ist er aufgehängt. Form und Ausführung lassen verschiedene gedankliche Verbindungen zu. Der zylindrische Körper erinnert an einen Vogelkäfig, die drehbare Tür des Ablagefaches und das drehbare Gitter lassen auch an einen Tabernakel denken, in dem etwas wertvolles verwahrt wird. Größen, Proportionen, Funktionen sind alle durchgestaltet und ergeben einen harmonischen Gesamteindruck.

Nina Buschmeier liefert eine völlig neue Idee einen Schlüsselkasten zu gestalten ab und wird dafür mit dem ersten Platz der Metallgestaltung geehrt. Die Form ist beim ersten Blick nicht allzu spektakulär, der „Eycatcher“ ist die auf Hochglanz polierte Oberfläche des Chrom-Nickel-Stahl. Eine liegende halbe Linse dient ihr als Grundkörper des Gehäuses. Diese ist in der Mitte horizontal geteilt. Damit kann die obere Hälfte waagrecht verschoben werden und gibt den Innenraum, die „Schatzkammer“, frei. Um die Schlüssel aufhängen zu können, hat Nina Buschmeier eine elegante, pfiffige Lösung gefunden. Sie braucht keine Haken oder Ösen. Zwischen den umgelegten Rändern der beiden waagerechten Linsenhälften ist ein Spalt. In diese können flache Schlüsselanhänger, die extra dafür gefertigt werden, eingeschoben werden. Und schon sind die Schlüssel verräumt. Das ganz Besondere ist aber der sich aus der einfachen Form und der Materialverarbeitung ergebende enorme Assoziationsraum. Die Linse oder Mandel weckt Verbindungen zu Ideen, die von der Technik bis in die Natur reichen. Wird der Körper um 90° gedreht ergibt sich eine Mandorla, eine Gloria oder Aura um besondere Objekte. Verschiebt man die beiden Hälften, so kann man sich die zwei Viertel einer Zitrone auf dem Wiener Schnitzel oder die Kommandobrücke und die Untertassensektion des Raumschiffs Enterprise vorstellen. Es könnte auch ein Auge eines Roboters sein. Man spürt aber auch den Blick aus dem Auge eines Reptils, eines Krokodils. Steht man davor, so ist man durch den linsenartigen Spiegel, der wie ein Fischauge wirkt, optisch in einen virtuellen Raum in 180°- Perspektive versetzt. Dies verdient alles zusammen ein außergewöhnliches Lob und selbstverständlich den ersten Preis.

Neben den drei ausgezeichneten Werken der beiden Fachrichtungen gab es natürlich noch viele weitere Arbeiten, die einer Würdigung wert sind. Es zeigt sich, dass der Stand der Ausbildung auf einem sehr hohen Niveau ist, dass die jungen Handwerkerinnen und Handwerker großes Engagement zeigen, enormen Leistungswillen und ausgezeichnete Ideen haben, sowie den Mut neue Wege zu gehen. Grundsätzliche Voraussetzung für diese Erkenntnis ist aber die Möglichkeit, dass die angehenden Gesellinnen und Gesellen ein individuelles Gesellenstück entwerfen und fertigen können.

(Autor: Alfred Weingartner)

 

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