„Die bayerische Politik muss anerkennen, wo die Wertschöpfung stattfindet.“

Am 8. Oktober 2023 findet die Wahl zum Bayerischen Landtag statt. Zu diesem Anlass haben wir mit Landesinnungsmeister Detlef Lurz gesprochen. Im Interview beschreibt er die Situation des bayrischen Metallhandwerks und erläutert seine Forderungen an die Politik.

Wie steht es um das bayerische Metallhandwerk aktuell?

Auch wenn es abhängig von Gewerk und Region große Unterschiede gibt, ist die Lage im Schnitt recht stabil. Laut einer aktuellen Umfrage unter Innungsmitgliedern beurteilt die überwiegende Mehrheit der Betriebe die Auftragslage als gut oder zumindest zufriedenstellend. Die Nachfrage ist also nicht das Problem. Die Herausforderung besteht eher darin, das Angebot sicherzustellen.

Was heißt das konkret?

Die Probleme lassen sich in drei Kategorien einteilen. An erster Stelle steht der Mangel an Fachkräften. Die Arbeit ist da, aber wer erledigt sie? Punkt zwei betrifft die wirtschaftlichen und strukturellen Rahmenbedingungen, an denen der einzelne Betrieb gar nichts ändern kann. Und drittens spreche ich vom dringend notwendigen Bürokratieabbau. Unsere Betriebe haben zu viele Dinge neben der eigentlichen Arbeit zu erledigen. In allen Bereichen erwarten wir dringend tatkräftige und nachhaltige Unterstützung durch die Politik.

Was kann die Politik tun, um den Fachkräftemangel zu beheben?

Die Politik muss dazu beitragen, die Beschäftigung im Metallhandwerk attraktiver zu machen. Die Hürden für Leistungswillige gehören aus dem Weg geräumt. So sollten zum Beispiel Arbeitnehmende die Möglichkeit haben, in ihrem Betrieb zusätzlich einer geringfügigen Beschäftigung nachzugehen und dabei nur geringe Abgaben in Kauf nehmen zu müssen. Alternativ könnten Überstunden jenseits der tariflich vereinbarten Arbeitszeit bzw. der 40. Wochenstunde im gleichen Umfang wie eine geringfügige Beschäftigung frei von Steuern und Sozialabgaben gestellt werden. Und wenn fitte Fachkräfte im Rentenalter noch arbeiten möchten, sollten auch sie steuerlich profitieren.

Diese Maßnahmen bringen aber noch keine zusätzlichen Fachkräfte in die Betriebe.

Das ist richtig. Daher fordern wir erstens, dass Auszubildenden und Fach- bzw. Arbeitskräften aus dem Ausland der Zuzug erleichtert wird. Wir brauchen niedrigschwellige Angebote für Betriebe und Arbeitssuchende, ohne großen Bürokratieaufwand. Und zweitens muss sich der Freistaat viel stärker als bisher um den heimischen Nachwuchs kümmern. Wo sind die prominenten Personen aus der Politik, die lautstark das Erfolgsmodell der dualen Ausbildung loben und bewerben? Wir erwarten stärkere Förderung für die Bildungszentren des Handwerks, arbeitsmarktorientierte Angebote zur Weiterbildung und Qualifizierung und eine Gleichstellung von Auszubildenden mit Studenten. Gerade das Metallhandwerk bietet vielfältige und spannende Karrierechancen und verdient daher deutlich größere Unterstützung durch die Landespolitik.

Was meinen Sie mit den „wirtschaftlichen und strukturellen Rahmenbedingungen“?

Darunter verstehe ich alle Faktoren, auf die nur die Politik Einfluss hat. Wir brauchen digitale Infrastruktur, nicht nur in den Ballungszentren, sondern gerade auch im ländlichen Raum. Dazu gehören nicht nur schnelle Netze, sondern auch digitale Services der Verwaltungen. Außerdem ist das Metallhandwerk auf sichere und bezahlbare Energie angewiesen. Wer die Energiekosten für die Industrie senken möchte, muss für die Zulieferer und das Handwerk das gleiche fordern. Denn wir sind genauso Teil der Wertschöpfungskette. Das gilt nicht nur für die Energie, sondern für alle Unterstützungsleistungen des Staates: So sollten Hilfestellungen für die Großindustrie mit der Vergabe von Aufträgen an im Land des Fördergebers ansässige mittelständische bzw. handwerkliche Zulieferer verknüpft sein. Außerdem wünschen wir uns mehr Unterstützung bei der Weiterführung von Familienbetrieben, eine überfällige Reform bei der Erbschaftssteuer und Erleichterungen beim Schritt in die Selbständigkeit.

Hat das Metallhandwerk ein Problem mit der Sichtbarkeit?

Nicht bei der Industrie oder anderen Auftraggebenden! Wer uns beauftragt, weiß genau, dass unsere Leistungen erstklassig und unverzichtbar sind. Es ist eher die Politik, bei der ich nicht immer sicher bin, ob sie unsere Bedeutung für den Wohlstand Bayerns korrekt einschätzt. Ich fordere, dass sie uns künftig immer zu Rate zieht, wenn es um Entscheidungen geht, die auch unsere Branche betreffen.

Kommen wir zur dritten Kategorie: Bürokratieabbau.

Unsere Betriebe ächzen unter vielfältigen bürokratischen Aufgaben, die wahnsinnig viel Zeit kosten und total unproduktiv sind. Wir fordern mehr Praxisnähe, zum Beispiel im Hinblick auf die Umsetzung der elektronischen AU-Bescheinigung und von Unfallverhütungsvorschriften sowie die Beantragung von Fördermitteln. Die Dokumentationspflichten zur DSGVO sollten deutlich reduziert werden. Und die Vorfälligkeit der Sozialabgaben und das Widerrufsrecht bei Handwerkerleistungen gehören einfach abgeschafft.

Haben Sie das Gefühl, dass die Politik Ihre Forderungen wahrnimmt?

Sie sollte es jedenfalls, und zwar nicht nur in unserem, sondern im eigenen Interesse. Die bayerische Politik muss anerkennen, wo die Wertschöpfung stattfindet. Nämlich bei uns, wir das Metallhandwerk sind meist am Anfang der Wertschöpfungskette oder der wichtige Faktor und viele andere können ohne uns gar nicht produzieren oder wirtschaften. Wer in Bierzeltreden von Bayerns wirtschaftlicher Stärke spricht, muss konsequenterweise die Bedingungen für die Betriebe im Metallhandwerk verbessern. Wir sind jederzeit bereit, auch persönlich über die notwendigen Maßnahmen zu sprechen.

Ansprechpartner

Richard Tauber

Richard Tauber

Hauptgeschäftsführer

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