Circular Economy braucht digitales Produktdaten-Management

Der Digitale Produktpass soll zum entscheidenden Werkzeug der Europäischen Produkt-Politik werden. Denn um Ressourcen zu schonen, müssen Rohstoffe und Produkte durch zirkuläres Wirt­schaften intensiver genutzt werden. Der digitale Produktpass soll die Informationsflüsse über die Produkte steuern, der Marktüberwachung dienen und gleichzeitig die Investition auf zirkuläres Wirtschaften ausrichten. Die Einbeziehung des produzierenden Handwerks einschließlich des Metallhandwerks ist unumgänglich, sie muss aber mit Augenmaß erfolgen.

Zirkuläre Wirtschaft
Der Europäische Begriff „Circular Economy“ oder zirkuläre Wirtschaft, erweitert den deutschen Kreislaufwirtschaftsbegriff. Gemeint ist eine Wirtschaft auf der Basis eines Wertstoffkreislaufs, der mit der Produktgestaltung beginnt. Bereits bei der Werkstoffauswahl wird die Recyclingfähigkeit berücksichtigt, um Sekundärrohstoffe effizient zurückzugewinnen. Die Produktgestaltung stellt die Umweltverträglichkeit der eingesetzten Materialien in den Vordergrund, um Gesundheits- und Umweltgefahren beim Recycling zu vermeiden.

Beschädigte Produkte verbleiben durch Reparatur, Wiederverwendung, Aufbereitung und ggf. Umnutzung möglichst lange im Wirtschaftskreislauf. Die Anzahl der im Wirtschaftskreislauf befindlichen Produkte wird durch neue Geschäftsmodelle wie Produkt-Sharing und -Leasing wenn möglich reduziert. Produkte werden dabei als Dienstleistung verstanden (Product as a Service). Die heutigen Abfälle werden zu Wertstoffen. Ziel der zirkulären Wirtschaft ist abseits des wirtschaftlichen Erfolgs vor allem der schonende Umgang mit Rohstoffen. Im Ergebnis werden Produkte in der Wertschöpfungskette zukünftig (noch) intensiver genutzt, von den Rohstoffen bis zu den Endprodukten.

Europäische Produktpolitik
Ausgehend vom Green Deal und dem Aktions-Plan “Circular Economy“ hat die Europäische Union mit den Entwürfen der Ökodesign-Verordnung, der Bauprodukten-Verordnung, dem Gesetz zu kritischen Rohstoffen und der europäischen Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung zentrale Regularien auf den Weg gebracht, um Anforderungen an Produkte und Produktionsprozesse auf die zirkuläre Wirtschaft vorzubereiten. Produktdeklarationen wie Konformitätserklärung, Leistungserklärung für Bauprodukte (DoP) und Umweltproduktdeklaration (EPD) dienen darüber hinaus der Marktüberwachung und der Investitionslenkung.

Dies erfordert umfangreichere Produktdatendokumentation zur Organisation der Kunden-Lieferanten-Beziehungen, zur Analyse von Geschäftsmodellen sowie zur Marktüberwachung. Bereitgestellt werden sollen diese Daten über normierte Methodiken, die schließlich durch digitale Produktpässe semiautomatsch erhoben und verwaltet werden sollen. Die entsprechenden Normungsarbeiten laufen zurzeit auf CEN- und ISO-Ebene.   

Die Grundzüge der Europäischen Produktpolitik, von der inhaltlichen Formulierung über die begleitenden Rechtsakte sowie die vorhandenen und geplanten Instrumente zur Überwachung und deren normative Begleitung, fasst das folgende Bild zusammen. Diese Politik setzt gerade die kleinen und mittelständischen Produzenten unter Druck. Denn diese Unternehmen müssen trotz dünner Personaldecke mit den administrativen Anforderungen an die Produktdokumentation umgehen.  

Produktdaten
Produktdaten werden heute typischerweise in Papierform oder als PDF dokumentiert und zwischen Hersteller und Kunden ausgetauscht. Die Daten können zwar elektronisch gespeichert werden, sie sind aber maschinell nicht verarbeitbar. In einer zirkulären Wirtschaft der Zukunft wird dies zu aufwändig, denn detaillierte Produktdokumentationen sind die Grundlage jeglicher Kunden-Lieferanten-Beziehung.

Besonders aufwändig ist die Datenbereitstellung zur Herstellung komplexer Produkte, die aus vielen Vorprodukten zusammengesetzt sind, wie zum Beispiel industriell hergestellte Elektrogeräte, Fahrzeuge, Maschinen oder auch Gebäude. Aber auch kleine und mittel­große Hersteller mit im Vergleich einfachen Produkten leiden unter den zunehmen­den Dokumentationspflichten, denn sie sind wegen ihrer schwachen Personaldecke durch den Zusatzaufwand besonders verwundbar. Um die Datenflut bewältigen zu können, benötigt gerade das produzierende Handwerk wie z.B. das Metallhandwerk ein weitgehend automatisches System zum Umgang mit den Produktdaten.

Digitale Produktpässe
Produktdaten sollen daher nach den Plänen der Europäischen Kommission zukünftig in digitalen Produktdatenpässen (DPP) hinterlegt werden. Die IT-Systeme hierfür wollen zukünftig Konsumenten, Endanwendern aber auch den Produktaufsichtsbehörden bedarfsgerecht Zugriff auf die Daten gewähren. Die Datenspeicherung soll dezentral erfolgen, also beispielweise auf den Homepages der Hersteller. Die erforderlichen Daten für die Circular Economy sollen so bereitgestellt werden.

Ziele sind dabei neben der Digitalisierung des Datenaustauschs zwischen Hersteller und Kunden die Verbesserung der Produktdaten-Transparenz zur Ermöglichung neuer Geschäftsmodelle sowie zur Nachverfolgung von Produktflüssen in der Wertschöpfungskette. Zudem entsteht eine Produktdatendokumentation mit möglichen Anwendungen bei der Leistungserklärung für Bauprodukte, der Umweltproduktdeklaration oder auch Materialzeugnissen (MTC). Darüber hinaus können die Daten der Marktüberwachung bereitgestellt werden. Das Bild fasst die Produktdatenflüsse und Anwendungsmöglichkeiten eines standardisierten Digitalen Produktpasses zusammen.

Normative Entwicklung
Die Vorbereitung des digitalen Produktpasses wird zurzeit auf internationaler und europäischer sowie nationaler Normungsebene vorangetrieben. Sie umfasst Normungsvorhaben zur Festlegung der Anforderungen an das IT-System, parallel entstehen Standards zur inhaltlichen Gestaltung der Produktpässe.

Digitaler Produktpass (DPP) - das System. Zur Entwicklung von Systemanforderungen für Digitale Produktpässe hat die Europäische Kommission bereits im Frühjahr einen gemeinsamen Normungsausschuss beim Europäischen Komitee für Normung CEN-CENELEC eingerichtet. Im Vordergrund der Normungsarbeiten steht ausschließlich die IT-Architektur des Produktpass-Systems. Dies muss eine weitgehende Automatisierung der Datenerhebung ermöglichen und die Interoperabilität der Produktpässe über alle Wirtschaftssektoren hinaus gewährleisten.

Die Fertigstellung der IT-Vorgaben wird im Jahr 2027 erwartet. Vorgaben für die Dateninhalte hält die EU-Kommission jedoch bislang bewusst offen. Hierzu sind zunächst international abgestimmte Rahmenvorgaben erforderlich, die dann für die Europäische Anwendung angepasst werden müssen.

Produktdatenblätter für die Circular Economy (PCDS) - die Inhalte. Eine Standard- Methode zu Datenerhebung, Dokumentation und zum weltweiten Datenaustausch wird zurzeit auf der ISO-Ebene genormt. Die Norm legt die für der Circular Economy relevanten Produktdaten fest. Die Datenerhebung folgt einem Bottom-up-Ansatz: Alle Hersteller sollen Produkte nach den normativen Vorgaben dokumentieren. Zur Erstellung der produktbezogenen Datensätze wird auf Maschinenlesbarkeit geachtet. Beim Kauf eines Produkts erhält der Käufer die entsprechenden Daten vom Lieferanten bzw. Hersteller.

Setzt der Käufer Produkte aus Vorprodukten zusammen, so erlaubt diese Methode das maschinelle Auswerten und Zusammenfassen der Daten aller Vorprodukte. Liegen alle Vorproduktdaten vor, so kann daraus die Produktdokumentation zusammengesetzt werden, der Produzent muss nur wenige herstellerspezifische Angaben ergänzen. Angewendet über die gesamte Wertschöpfungskette vom Rohstofferzeuger bis zum Konsumenten ergibt sich so über die jeweiligen Vorprodukt-Dokumentationen eine lückenlose Dokumentation des Endprodukts. Diese Methode ist grundsätzlich universell anwendbar, je nach Produktgruppe müssen ggf. inhaltliche Anpassungen vorgenommen werden. Zurzeit erfolgt die internationale Abstimmung der Methodik. Die Veröffentlichung ist Ende 2024 geplant. Die Anpassung der Methode zur Anwendung in der EU läuft bereits an.

Bedeutung fürs Metallhandwerk
Zu Testzwecken sollen bereits ab 2027 erste Produktpässe für Fahrzeugbatterien bereitgestellt werden. In den kommenden Jahren ist vorgesehen, dies zügig auf andere Produktgruppen auszuweiten. Bei der Produktpasserstellung wird dabei zunächst ein erheblicher händischer Aufwand entstehen. Für die kleinen und mittelständischen Produzenten des Metallhandwerks und vergleichbare Gewerke wäre ein derartiges System schädlich und unzumutbar.

Zwar ist an Anwendungen im Handwerk in der Testphase zunächst noch nicht gedacht, dies ist jedoch nur eine Frage der Zeit. Spätestens wenn Kunden handwerklicher Zulieferer auf die normgerechte Bereitstellung von Produktdokumentationen drängen, damit dies für die eigene Produktdokumentation eingesetzt werden kann, sind auch die Handwerksbetriebe betroffen. Daher bleibt weiterhin unklar, wie das produzierende Handwerk vor überbordender Bürokratie durch die neue Datenökonomie wirkungsvoll geschützt werden kann.

Fazit
Unumstritten ist, dass konsequentes zirkuläres Wirtschaften den Verbrauch natürlicher Ressourcen wirkungsvoll eingrenzt. Die zirkuläre Wirtschaft ist daher neben der Dekarbonisierung ein wesentliches Element für den Klimaschutz. Gerade die auf die Kundenbe­darfe angepassten Produkte des Metallhandwerks sind wegen ihrer Reparierbarkeit, ihrer Wiederverwendbarkeit und ihres Recyclingpotentials unverzichtbar.

Bei Reparatur, Wiederverwertung, Aufbereitung und Umnutzung von Produkten sind handwerkliche Betriebe zudem in einer zirkulären Wirtschaft systemrelevant. Das gilt auch für das Metallhandwerk. Allerdings müssen die handwerklichen Produzenten vor unverhältnismäßigen Dokumentationspflichten geschützt werden.  

Zusammen mit Small Business Standards, Brüssel, und dem Zentralverband des deutschen Handwerks, Berlin, begleitet der Bundesverband Metall die Transformation zum zirkulären Wirtschaften. Dazu vertritt er die Interessen kleiner und mittelgroßer Unternehmen (KMU) des Metallhandwerks in den internationalen und europäischen Normungsprozessen.

Ansprechpartner

Richard Tauber

Richard Tauber

Hauptgeschäftsführer

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